E-Learning für Soft Skills: Zeitverschwendung oder unterschätztes Lernformat?

Panagiota Gomes da Costa2Ein Beitrag aus unserer »Standpunkte«-Reihe von Panagiota Gomes da Costa, Stuttgart.

Meetings in Russland, Verhandlungen in Japan, Skypekonferenzen rund um die Welt – um auf dem internationalen Parket eine gute Figur abzugeben, werden Mitarbeiter hinsichtlich ihrer interkulturellen Kompetenz geschult. Hierfür gibt es eine wachsende Zahl von Anbietern für Präsenztrainings, doch auch das Angebot für E-Learning wächst. Was allerdings zur Stärkung der Hard-Skills als praktisches und effizientes Lernformat zunehmend in Anspruch genommen wird, ist im Bereich der Soft-Skills, in den sich die interkulturelle Kompetenz einordnen lässt, ein noch sehr sensibles Thema. Denn die Bedenken, weiche Erfolgsfaktoren durch E-Learning zu stärken, sind immer noch sehr verbreitet.

Doch welche Zweifel existieren in dem Bereich genau und wie sehr sind diese begründet? Die ersten Ansprechpartner für dieses Weiterbildungsformat sind meist Personaler. Viele von ihnen verbinden mit dem Begriff E-Learning Lern-Videos, Chatfunktionen oder Online-Artikel, die für schnelle und direkte Informationen sicherlich sehr hilfreich sein können. Ob allerdings solche punktuellen Elemente ausreichen, um den Mitarbeiter auf ein weiches Thema wie interkulturelle Kompetenz zu schulen, ist tatsächlich fragwürdig. Doch von diesen Elementen ist hier nicht die Rede. Vielmehr geht es um die Frage, weshalb komplette E-Learning-Kurse, in denen Nutzer einem Lehrpfad folgen, häufig immer noch zu so großer Skepsis führen. Denn hierbei handelt es sich schließlich um Lerneinheiten, die mit unterschiedlichen Bausteinen und medialer Vielfalt als WBT (Web Based Training) aufgebaut sind und somit neben dem Vorteil der flexiblen Zeit- und Ortseinteilung die Weiterbildung auch in Interaktion zwischen Lernenden oder zwischen Lernenden und Lehrenden – im Fall der interkulturellen Weiterbildung Länderexperten – stattfinden kann.

Erkenntnisse einer Masterarbeit

Autorenangaben



Panagiota Gomes da Costa ist bei der crossculture academy in Stuttgart zuständig für PR und Marketing.

Trotz des Wissens um diese Vorteile bleibt jedoch bei vielen Personalverantwortlichen die Meinung bestehen, dass Fähigkeiten im Umgang mit anderen Menschen allein durch Präsenzschulungen erfolgen sollten, um wirksam zu sein. Anders sieht es hingegen bei den Anbietern und Nutzern von E-Learning aus, die diesem Thema aufgeschlossener gegenüberstehen. Sonja Hofmann*, Mitarbeiterin der interkulturellen Unternehmensberatung crossculture academy, hat ihre Masterarbeit an der Hochschule für Medien Stuttgart zum Thema „Einsatz von E-Learning-Kursen in der interkulturellen Weiterbildung“ geschrieben. Durch Befragungen der drei wichtigsten E-Learning-Interessensgruppen, nämlich Anbieter, Nachfrager (Personaler) und Nutzer kristallisierte sich schnell heraus, dass insbesondere die Nachfrager, also Personaler, gegenüber E-Learning-Kursen zur Vermittlung interkultureller Kompetenzen sehr skeptisch sind, da ihrer Meinung nach persönliche Ansichten und Verhaltensweisen nur von Mensch zu Mensch weitergegeben werden können und bei der Analyse und Diskussion eigener Erfahrungen digitale Anwendungen nun mal an ihre Grenzen stoßen. Im Gegensatz dazu haben die E-Learning-Nutzer und auch die E-Learning-Anbieter den Nutzen interkultureller E-Learning-Kurse laut Befragungsergebnissen hervorgehoben. Sowohl zur Grundsensibilisierung interkultureller Unterschiede als auch zum stringentem Erlernen von Ländergrundkenntnissen stellen E-Learning-Kurse laut ihrer Meinung ein geeignetes Instrument dar, da die Nutzer vor allem Faktenwissen erhalten oder ganz allgemein an das Thema Kultur herangeführt werden. Durch E-Learning-Kurse können solche Inhalte sehr anschaulich vermittelt und bei Bedarf immer wieder aufgerufen werden, so die Meinung.

Zwar ist ein Präsenztraining durch einen E-Learning-Kurs nicht ersetzbar, als begleitendes Element stellt das WBT allerdings einen enormen Mehrwert dar, gerade wenn es um eine intensive Vorbereitung auf eine Kultur geht. Diese Erkenntnis machte auch Sonja Hofmann im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Arbeit, in der sie zusammenfasste, dass E-Learning-Kurse eine wertvolle Ergänzung zu den Präsenzveranstaltungen darstellen. Der Blended-Learning-Ansatz, also die Kombination unterschiedlicher Lernformate, stellte sich als gute Möglichkeit heraus, die Vorteile von Präsenzschulungen und E-Learning-Kursen miteinander zu verbinden, um so die Wirkung des Gelernten zu erhöhen und zu festigen. So kann etwa im Fall einer Auslandsentsendung ein Mitarbeiter die interkulturelle Grundsensibilisierung via E-Learning orts- und zeitunabhängig und in seinem eigenen Lerntempo durchlaufen und im Anschluss darauf mit einem Präsenztraining ganz individuell auf die Spezifika des Entsendungslands vorbereitet werden. Diese Schlussfolgerung führte dazu, dass die Personalverantwortlichen im Laufe der Befragung ihre anfänglichen Bedenken ausräumten und angaben, dass E-Learning sowohl für den Erstkontakt mit dem Themenbereich Kultur und interkulturelle Zusammenarbeit als auch in Kombination mit weiteren Lehrformaten eine effektive Schulungsmethode darstellt, und dass dadurch eine zielgerichtete und ergebnisorientierte Weiterbildung auch über Ländergrenzen hinweg angeboten wird.

Wie sollte E-Learning konzipiert sein?

Doch E-Learning-Kurs ist nicht gleich E-Learning-Kurs. Um den erwähnten Nutzen aus diesem Lernformat zu ziehen, sollten einige konzeptionelle Ansprüche in Hinblick auf die Didaktik, die mediale Ausstattung und die Technik erfüllt werden. Auch dieser Aspekt wird in der Arbeit von Frau Hofmann behandelt.

Einen Kurs zu durchlaufen, in dem hauptsächlich Texte gelesen oder Videos angeschaut werden, kann von seiner inhaltlichen Aufmachung sicherlich schon qualitativ hochwertigen Ansprüchen gerecht werden. Didaktisch betrachtet spielt allerdings die Art und Weise, wie Lerninhalte bereitgestellt werden, eine bedeutende Rolle in Bezug auf die Motivation und den Lerneffekt. Um beispielsweise die aktive Teilnahme an einem interkulturellen E-Learning-Kurs zu erhöhen, können Quizformate wie etwa Multiple-Choice-Aufgaben oder Lückentexte eingesetzt werden. Allerdings erfordert deren Einsatz einige Vorüberlegungen hinsichtlich der verfolgten Lehrziele. Als Beispiel hierfür kann man ein Quiz am Ende eines Kapitels annehmen: Wird es derart eingesetzt, dass sein Bestehen eine Voraussetzung für das Fortfahren des Kurses ist, kann das einerseits den Lerneffekt des Nutzers erhöhen, denn er möchte schließlich weiterkommen. Sollte er das Quiz jedoch nicht gleich bestehen, kann das andererseits seine Motivation senken. Ein weiteres didaktisches Mittel ist laut den Analysen von Sonja Hofmann die Darstellung und Steuerung der Inhalte, also die Möglichkeit der unterschiedlichen Lernwege. Ob die Inhalte chronologisch, individuell oder flexibel abgerufen und durchlaufen werden können, scheint nach ihren Befragungen ein wichtiges Kriterium für die Nachfrager und Nutzer zu sein. Weitere didaktische Mittel für die Konzeption von E-Learning-Kursen können ein dem Wissensstand angemessenes Schwierigkeitsniveau, verständlich formulierte Aufgabenstellungen oder der Erhalt eines Feedbacks sein.

Die mediale Komponente beeinflusst ebenfalls die Motivation und den Lerneffekt in einem E-Learning-Kurs. So können Farben, Bilder und Animationen in Texten und Videos nicht nur sehr abwechslungsreich wirken, sondern zusätzlich die zu vermittelnden Informationen unterstreichen. In allen Fällen sollte die Lernumgebung laut Erkenntnissen von Frau Hofmann einfach zu bedienen sein.

Doch all diese Aspekte können nur dann in einen Kurs eingebracht werden, wenn die technische Ausstattung dafür gewährleistet ist. Neben der Bedienbarkeit auf verschiedenen Betriebssystemen und Endgeräten sowie dem Hinweis darauf, dass eventuell Zusatzgeräten wie Kopfhörer oder Lautsprecher benötigt werden, sollte laut Analysen von Frau Hofmann auch der Fortschritt der Technik in den Kursen stecken. Vor diesem Hintergrund spielt etwa die Mobilfähigkeit eine wesentliche Rolle, denn die Flexibilität, E-Learning-Kurse nicht nur vom Arbeitsplatz aus, sondern auch unterwegs vom Smartphone oder auf dem Tablet durchführen zu können, kann je nach Mobilität der Nutzer von Bedeutung sein. Gamification ist ein weiterer Begriff aus dem Fortschritt der Technik. Die Spiele-App als trainingsbegleitendes Element hat den Vorteil, dass sie neben der erhöhten Motivation und der Festigung der Lerninhalte den Lernerfolg messbar macht. Denn die einzelnen Spiele, die sich je nach App einzeln oder auch in Gruppen durchführen lassen, ermöglichen über eine Punktevergabe die direkte Erfolgsmessung der jeweiligen Lernfortschritte.

Die Zukunft des E-Learning

E-Learning-Kurse im Soft-Skill-Bereich müssen also hohen Anforderungen genügen, für die zunächst die Grundlage der Umsetzbarkeit in medialer Ausstattung und Technik notwendig ist. Dies wiederum erfordert die disziplinübergreifende Expertise in Didaktik, Methodik und Technik. Sind diese Kriterien erfüllt, steht dem E-Learning-Format als ergänzendes Mittel, das über Ländergrenzen hinweg und zeitunabhängig flexibel zur Vermittlung interkultureller Kompetenz eigesetzt werden kann, nichts im Weg.

Dieser Ansicht sind mittlerweile immer mehr Unternehmen, vorrangig diejenigen mit internen Weiterbildungszentren, die eigene Portale und Lernmanagementsysteme konzipiert haben, um neben klassischen Präsenzschulungen auch E-Learning-Kurse möglichst passend in die unternehmenseigene Weiterbildungsphilosophie zu implementieren und Mitarbeiter über Niederlassungsgrenzen hinweg effektiv zu schulen. Laut den Ergebnissen der Arbeit von Frau Hofmann wird sich dieser Trend in der Zukunft fortsetzen. Für Unternehmen, die ihre Mitarbeiter interkulturell schulen, bedeutet das, dass der Beratungsbedarf dahingehend steigen wird, wie die vielseitigen Weiterbildungsmöglichkeiten möglichst passgenau in die jeweilige Unternehmensphilosophie eingebettet werden können.

* geb. Helfrich

In unserer Reihe »Standpunkte« bieten wir von Zeit zu Zeit engagierten Akteuren aus den Bereichen Weiterbildung, Personalentwicklung und Wissensmanagement die Möglichkeit, sich mit einem aktuellen Thema an unsere Leser zu wenden. Unabhängig vom jeweiligen Inhalt weisen wir darauf hin, dass diese Artikel ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wiedergeben und nicht zwangsläufig mit der Auffassung der Redaktion in Einklang zu bringen sind.

 

 

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