MINT Nachwuchsbarometer 2015: Berufliche Ausbildung kämpft mit Imageproblemen

MINT NWB 2015

Wenig Kontakt mit Menschen, ein gefährlicher – und dazu noch kalter – Arbeitsplatz und körperlich anstrengende Aufgaben: So stellen sich viele Schülerinnen und Schüler die Arbeit in MINT-Berufen vor. Dieses negative Image sowie Defizite in der Berufsberatung tragen laut dem MINT Nachwuchsbarometer 2015 von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und der Körber-Stiftung wesentlich dazu bei, dass Jugendliche sich vermehrt gegen eine berufliche Ausbildung im MINT-Bereich entscheiden.

Bei der Einschätzung des MINT-Berufsalltags klaffen Vorstellung und Realität weit auseinander: Von MINT-Auszubildenden wird ein Großteil der durch die Schüler genannten Vorurteile nicht bestätigt. Um den Trend umzukehren, sind eine verbesserte Berufsorientierung und vor allem praktische Erfahrung von zentraler Bedeutung. Für über 60 Prozent der MINT-Azubis war ein Betriebspraktikum die wichtigste Entscheidungshilfe bei der Wahl einer technischen Ausbildung.

Zahl der Ausbildungsverträge sinkt, Mädchen wird abgeraten

Während es bei den MINT-Studienanfängern, insbesondere in den Ingenieurswissenschaften, einen leicht positiven Trend gibt, ging die Zahl neu abgeschlossener MINT-Ausbildungsverträge binnen 10 Jahren um 8 Prozent zurück. Zugleich fiel die Zahl der bestandenen MINT-Ausbildungsabschlüsse um 21 Prozent. Ohne Gegenmaßnahmen wird die vom Institut der deutschen Wirtschaft für 2015 diagnostizierte Lücke von rund 78.000 beruflich qualifizierten Fachkräften weiter wachsen.

»Wir müssen jungen Menschen klar machen, dass MINT-Ausbildungen viel attraktiver sind, als sie glauben«, fordert Prof. Dr. Ortwin Renn von acatech und wissenschaftlicher Leiter der Studie. »Das negative Image hält selbst MINT-affine Jugendliche von entsprechenden Ausbildungen ab«.

Vor allem Schülerinnen sind skeptisch; ihr Anteil in MINT-Ausbildungsberufen stagniert bei rund 10 Prozent. »Für junge Frauen ist der Einstieg nach wie vor schwer. Eltern und Bekannte raten ihnen fünfmal häufiger von einer MINT-Ausbildung ab als Männern«, erläutert Matthias Mayer, Leiter des Bereichs Wissenschaft bei der Körber-Stiftung. Auch im Berufsalltag haben sie zu kämpfen: »Jeder fünfte Kollege hält weibliche Azubis für weniger geeignet. Vorurteile in den Betrieben müssen abgebaut, MINT-interessierte Mädchen ermutigt und durch weibliche Vorbilder gestärkt werden«.

Mangel an MINT-Lehrkräften spitzt sich weiter zu

Die Nachwuchssituation bei den Lehrkräften für naturwissenschaftliche und technische Fächer ist ebenfalls alarmierend – das gilt für allgemeinbildende Schulen, aber ganz besonders für Berufsschulen. Hatten 2004 noch knapp 17 Prozent der Lehramtsabsolventen für Berufsschulen ein technisches Fach studiert, waren es 10 Jahre später nur noch 9 Prozent. Helfen könnte beim Berufsschullehramt der verstärkte Quereinstieg von pädagogisch motivierten Auszubildenden, Betriebspraktikern und Fachhochschülern. Insge-samt bleibt es eine Kernaufgabe der Politik, den Lehrerberuf im MINT-Bereich attraktiver zu machen. Gut ausgebildete Lehrkräfte sind von zentraler Bedeutung, um die Qualität der Ausbildung in Deutschland für die Zukunft zu sichern und Jugendliche bereits in der Schule für MINT zu begeistern.

Hintergrund
Das MINT Nachwuchsbarometer erforscht individuelle Motivationen und gesellschaftliche Entwicklungen bei MINT-Studiengängen und -Berufen. Vorliegende Datenquellen werden umfassend ausgewertet und systematisch in einer Metastudie zusammengeführt. Der Bericht wird seit 2014 gemeinsam von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und der Körber-Stiftung herausgegeben. Die Studie wird vom Forschungsinstitut Dialogik erstellt. Sie unterstützt den gesellschaftlichen Dialog zur Nachwuchssicherung, dient als Frühwarnsystem, Planungs- und Entscheidungshilfe für Politiker, Pädagogen und Projektmacher.

 

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