Duale Ausbildung: Ausbildungs-Akteure bedingt digitalisierungsreif

U Form

Zwar werden überall Rufe über den »Azubi-Mangel« laut, dennoch richten Ausbildungsbetriebe in Stellenanzeigen wie in Bewerbungsgesprächen das Augenmerk vor allem auf »Auswahl«, anstatt den Bewerbern eine attraktive Berufsperspektive zu bieten. Das ist das Ergebnis der doppelperspektivischen Studie Azubi-Recruiting Trends 2018.

Für die von Prof. Dr. Christoph Beck begleitete bundesweite Befragung zur dualen Ausbildung hat der Solinger Ausbildungsspezialist u-form Testsysteme insgesamt 5.537 Azubi-Bewerber, Auszubildende und Ausbildungsverantwortliche befragt. Das Team von meinestadt.de mit der Azubi-App TalentHero hat die Befragung in diesem Jahr erstmalig unterstützt.

 

Stellenanzeigen: unterschiedliche Prioritäten

Was ist Azubi-Bewerbern in Stellenanzeigen besonders wichtig? Dreiviertel von ihnen möchten dort mehr zu den »beruflichen Möglichkeiten nach Abschluss der Ausbildung« erfahren. Ausbildungsverantwortliche setzen andere Prioritäten: Hier erreichen die »Anforderungen an den Bewerber« in Stellenanzeigen mit 81,56 % einen Höchstwert. Das stellt eine erstaunliche Gewichtung vor dem Hintergrund dar, dass aktuell 57,15 % der Bewerber mehr als ein Angebot für einen Ausbildungsplatz erhalten.

Bewerbungsgespräche: Allerweltsfragen als Standard

Auch in Bewerbungsgesprächen geben Ausbildungsbetriebe den Anforderungen an die Azubis ein besonderes Gewicht. Vergleichsweise wenig wird über die Perspektive nach der Ausbildung gesprochen. Azubi-Bewerber gehen durchaus selbstbewusst in die Interviews: 57,16 % würden in den Interviews gerne häufiger danach gefragt werden, wie das Arbeitsumfeld gestaltet werden muss, damit ihnen die Arbeit Spaß macht. Die Gespräche werden stattdessen aktuell von den gewohnten Allerweltsfragen dominiert, wie die Erfahrung der Azubis zeigt: 90,11 % wird zum Beispiel die Selbstbeweihräucherungsfrage »Warum haben Sie sich ausgerechnet bei uns beworben?« in der einen oder anderen Form »sehr häufig« oder »häufig« gestellt. Auch den Allerweltsfrageklassiker der »Stärken und Schwächen« hören 81,73 % der Azubis »sehr häufig« oder »häufig«.

Duale Ausbildung: Akteure eingeschränkt digitalisierungsreif

Ein besonderes Augenmerk der Studie galt in diesem Jahr der Digitalisierung: Im Hinblick auf die eigene Digitalisierungskompetenz verfügen Azubi-Bewerber nach Selbsteinschätzung über eine gute Anwenderroutine, aber nicht mehr. 65,22 % nutzen routiniert verschiedene Suchmaschinen, aber nur 22,67 % tauschen regelmäßig größere Datenmengen übers Internet aus. Ausbilder halten »ihre« Azubis in dieser Hinsicht für kompetenter als diese sich selbst. Das gilt übrigens auch für die Digitalisierungskompetenz der Ausbildungsbetriebe, auf die die Azubis einen deutlich kritischeren Blick werfen als die Ausbildungsverantwortlichen. Im Hinblick auf das Berichtsheft können sich 40,21 % der Azubis mittlerweile eine rein digitale Variante vorstellen, 39,92 % möchten die Berichte am Computer erstellen, aber dann ausdrucken und in Papierform einreichen, 19,88 % möchten bei Stift und Papier bleiben. Grundsätzlich genießen die Berichtshefte unter Azubis eine hohe Akzeptanz. 56,48 % finden sie »lästig, aber wichtig«, 18,35 % einfach nur »wichtig«. Aus den Azubi-Kommentaren zum Thema geht hervor: Die Akzeptanz der Berichtshefte ist nur dann gegeben, wenn es Ausbildern gelingt, den Azubis deren Sinn zu vermitteln.

Social Media? Urteil »unseriös«

Immer mehr Ausbildungsunternehmen geben sich einen modernen Anstrich, indem sie WhatsApp in der Kommunikation mit Azubi-Bewerbern einsetzen. 46,64 % der befragten Betriebe setzen das Tool für die Azubi-Kommunikation entweder ein oder denken zumindest darüber nach. Azubi-Bewerber aber haben mehrheitlich darauf gar keine Lust. 53,29 % der Azubis stimmen der Aussage zu, Ausbildungsbetriebe sollten WhatsApp »im Bewerbungsverfahren gar nicht einsetzen«. Bei Snapchat fällt die Ablehnung der Zielgruppe mit 63,29 % noch eindeutiger aus. »Arbeit ist Arbeit und Snapchat ist etwas sehr Privates«, schreibt ein Umfrageteilnehmer. Auch die Azubi-Kommentare zum Thema WhatsApp zeigen deutliche Vorbehalte: »unseriös, mit hohem Eingriff in die Privatsphäre« urteilt ein Teilnehmer, »privat und Bewerbung sollte getrennt bleiben« meint ein anderer. Deutlich größer ist die Akzeptanz von Chatbots. Hier sind nur 45,33 % der Befragten grundsätzlich dagegen, sie in Bewerbungsverfahren einzusetzen.

Influencer: Mama und Papa statt Bibi und Dagi Bee

Azubi-Bewerber fällen ihre Entscheidung nicht allein. Sie werden von verschiedenen »Sekundärzielgruppen« beeinflusst, die möglicherweise eine große Rolle für das Ausbildungsmarketing spielen. Wen müssen Ausbildungsbetriebe dabei unbedingt in den Blick nehmen? Zum Social Media-Befund passt auch die Auskunft, die die Azubi-Teilnehmer auf die Frage geben, wer ihre Berufswahl am stärksten beeinflusst. Am wichtigsten sind hier Eltern (77,35 % »sehr wichtig« und »eher wichtig«), aber auch Freunde (54,33 %) und Unternehmensvertreter (50,32 %). Influencer auf Social Media erreichen lediglich einen Anteil von 5,89 %, Facebook-Freunde nur 3,94 %. Ausbildern ist die entscheidende Rolle der Eltern mehrheitlich bewusst, aber nur eine Minderheit spricht sie gezielt im Azubimarketing an.

Weitere Themen: Image der Ausbildungsberufe und Tests

Die Studie bietet weitere Erkenntnisse zu Themen wie dem Image von Ausbildungsberufen, der mobilen Bewerbung oder der Akzeptanz von Testverfahren. Auf der Website von u-form Testsysteme sind ein Management Summary zur Studie, eine Präsentation mit den wichtigsten Zahlencharts sowie eine Liste mit O-Tönen (Azubi-Wunschliste) der teilnehmenden Azubis und Schüler verfügbar (siehe Link unten).

Der Erlös der Studie kommt 2018 dem Verein Ausbildung statt Abschiebung (AsA) e.V. zu Gute, dessen Ziel es ist, junge Flüchtlinge im Alter von 14 bis 27 Jahren schulisch und beruflich zu fördern und zu unterstützen.

  

 

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