Frauenquote an die mittlere Macht

Elke Vorholt

Ein Beitrag aus unserer »Standpunkte«-Reihe von Elke Vorholt, Düsseldorf.

Eine Frauenquote für Führungspositionen schadet der Volkswirtschaft. Helfen würde hingegen eine verbindliche, branchenabhängige Steigerungsquote für Frauen im mittleren Management. 

Deutschlands Wirtschaft braucht mehr Frauen in Führungspositionen – im eigenen Interesse. Demographischer Wandel und ein allgemein wachsender Bedarf an hoch qualifizierten Mitarbeitern werden den Fachkräftemangel verschärfen. Das Potenzial der Frauen wird dabei quantitativ und qualitativ derzeit längst nicht ausgeschöpft.

Frauen im mittleren Management fehlen

Gebraucht werden diese gut ausgebildeten Frauen vor allem im mittleren Management und für Spezialistenpositionen. Weil sie hier in den meisten Branchen so signifikant fehlen, gibt es auch nicht genügend Frauen mit den geeigneten Profilen für die Besetzung von Aufsichtsräten und Vorständen. Diese Erfahrung machen Aufsichtsgremien, Personalverantwortliche und Personalberater gleichermaßen. Gerade für Personalberater ist es vielfach erforderlich, intensiv Kontakte zu Frauen in Führungspositionen zu pflegen. Sinnvoll ist zudem die Mitgliedschaft in mehreren Frauennetzwerken – was den überwiegend männlichen Beratern naturgemäß verwehrt ist. Doch nur so lassen sich die Vorstellungen der Auftraggeber mit den Marktgegebenheiten abgleichen, um freie Stellen erfolgreich besetzen zu können.

Gesetz zur Frauenquote eher schädlich als nützlich

Das Signal der Regierung in Form einer starren Quote ist gut gemeint – und damit das Gegenteil von gut. Für die Volkswirtschaft wird der Schaden des Gesetzes größer als der Nutzen sein. Der Politik war diese Tatsache bei Veröffentlichung ihrer Leitlinie zur Frauenquote vermutlich bekannt. Dennoch hat sie sich entschieden, das Problem top-down anzugehen: In der Erwartung, es werde sich insgesamt etwas verbessern, wenn es in Führungspositionen erst einmal einen Frauenanteil von 30 Prozent oder mehr gäbe. Frauen werden es natürlich mit Hilfe einer Quote in Zukunft leichter haben, die gläserne Decke zu durchstoßen, denn ein generelles Akzeptanzproblem besteht weder im Top-Management noch im mittleren Management. Doch eine starre Quote für Spitzenpositionen ist in vielerlei Hinsicht suboptimal.

Pauschale Quote schafft wirtschaftliche Probleme

Besonders in technischen Berufen ergeben sich Schwierigkeiten: Zum Beispiel liegt in den Ingenieurwissenschaften der Anteil weiblicher Absolventen bei gerade einmal 22 Prozent. Wenn nur jeder fünfte Absolvent weiblich ist, ist die geforderte Frauenquote von 30 Prozent für Führungspositionen nahezu grotesk. In nicht wenigen technischen Unternehmen liegt der Frauenanteil der Belegschaft bei unter zehn Prozent. Wo also sollen die 30 Prozent an qualifizierten Frauen für Spitzenpositionen herkommen?

Jobprofile werden Frauen angepasst

Wozu eine starre Gesamtquote führt, erleben wir als Personalberater immer öfter: Obwohl die Quote noch nicht einmal Gesetz ist, werden viele Stellen schon heute anders besetzt, als es im Rahmen einer geschlechtsneutralen Bestenauswahl möglich wäre. Das gilt insbesondere bei Positionen mit hoher öffentlicher Wahrnehmung. Hier werden Frauen bei Neubesetzungen zunehmend bevorzugt – bei gleichwertiger Qualifizierung ohnehin. Notfalls wird das Profil so lange angepasst oder vom ursprünglichen Stellenprofil abgewichen, bis der Job zur Bewerberin passt, nicht umgekehrt. Damit am Ende eine erfolgreiche Besetzung steht, muss eine intensive und offene Diskussion mit den Aufsichtsgremien oder Personalverantwortlichen und anschließend eine Dokumentation stattfinden. Gerade im öffentlichen Umfeld kann eine Besetzung bei mangelnder Transparenz im Verfahren angefochten werden.

Frauen haben geringeren Karrierewillen

Nach unserer Erfahrung ist der Anteil derjenigen Frauen, die wirklich Top-Karrieren machen wollen und dafür ihr Privatleben zurückstellen vergleichsweise klein. In vielen Fällen zeigen sie deutlich weniger Willen und Biss als Männer, sich bis ganz an die Spitze zu arbeiten. Das gilt umso mehr, wenn sie Familie haben. Frauen wollen Beruf und Familie häufig gleichermaßen gerecht werden. Irgendwann erkennen sie, dass dies kaum möglich ist. Sie machen dann Kompromisse – parallel sowohl bei ihren beruflichen als auch bei den familiären Zielen. Bei Männern schlägt das Pendel hingegen eher in Richtung Karriere aus.

Dauererreichbarkeit schreckt Frauen ab

Neben der generellen Grundeinstellung ist auch der Druck der ständigen Erreichbarkeit ein Problem für Frauen. Eine aktuelle Studie von McKinsey zeigt, dass die zunehmende Verfügbarkeit von Führungskräften auch abends, an Wochenenden und im Urlaub ein wesentlicher Grund ist, dass es so wenige Frauen an der Spitze gibt – da sie eine dauerhafte Erreichbarkeit in nicht gewährleisten können oder wollen (»Women Matter 2013 Report«). Die allgemeine Verbreitung von Smartphones, Tablets und stabilen mobilen Internet-Verbindungen auch in abgelegenen Gebieten und im Ausland hat diese Erwartungshaltung an Dauerverfügbarkeit noch verstärkt, denn für Nichterreichbarkeit existiert keine technische Ausrede mehr.

Flexible Steigerungsquoten statt pauschale Gesamtquote

Aus unserer Sicht ist eine pauschale Quote volkswirtschaftlicher Unsinn. Sinnvoller wäre es, eine solche Quote flexibel und Jahr für Jahr an die tatsächlichen Gegebenheiten der jeweiligen Branche anzupassen oder eine branchenabhängige Zielquote über einen Zeitraum zu vereinbaren. Also beispielsweise jährlich zehn Prozent (nicht Prozentpunkte) mehr Frauen im mittleren Management des Maschinen-und Anlagenbaus zu fordern, statt allgemein 30 Prozent in deutschen Aufsichtsräten. Eine Steigerung des Frauenanteils von zehn Prozent in den Netzbereichen der Versorger würde der deutschen Wirtschaft beispielsweise weit mehr helfen, als je drei zusätzliche weibliche Aufsichtsräte bei EnBW, E.ON, RWE und Co. Es wäre eine Politik der kleinen Schritte an der Basis statt ein großer Wurf an der Spitze. Das Problem: Aus Sicht der Politik ließe sich für eine solche Maßgabe weniger öffentlichkeitswirksam werben als mit dem aktuell geplanten Gesetzesentwurf.

Öffentliche Diskussionen fehlen

Zweifellos brauchen wir auch sichtbare und akzeptierte weibliche Vorbilder in Top-Positionen. Dies zu fördern, sollte aber vor allem dem Ziel dienen, ein ausgewogeneres Geschlechterverhältnis auf unteren Ebenen zu erreichen. Und das schafft keine Quote für weibliche Führungskräfte. Natürlich steckt bei einem solchen Ansatz der Teufel im Detail: Existiert überhaupt eine valide Datenbasis für unterschiedliche Berufsgruppen? Welche Steigerungsraten soll es für welche Berufe geben, wie grenzt man sie voneinander ab? Wie definiert man das mittlere Management? Fragen, auf die es keine pauschalen oder allgemeingültigen Antworten geben wird. Sie sind es aber wert, sich damit zu beschäftigen, Vorschläge zu entwickeln und in die öffentliche Diskussion zu gehen. Die Antworten werden Schwachpunkte haben und Kritiker auf den Plan rufen – wie jede andere fundamentale gesellschaftliche oder wirtschaftliche Veränderung auch.

Arbeitsbedingungen an Bedürfnisse anpassen

Frauenförderung ist und bleibt vor allem eine gesellschaftliche und kulturelle Aufgabe – angefangen von besseren und steuerlich effizienter geförderten Möglichkeiten der Kinderbetreuung bis hin zu einer Veränderung tradierter Rollenbilder. Wichtig ist sicherlich auch, Frauen schon in jungen Jahren mehr für eine Tätigkeit vor allem in technischen und naturwissenschaftlichen Berufen zu begeistern. Der möglicherweise wichtigste Schlüssel zum Erfolg liegt aber darin, die Arbeitsgegebenheiten stärker an die Bedürfnisse der Frauen – und immer mehr auch Männern – anzupassen, ohne die Unternehmen zu schwächen.

Berufliche Auszeiten führen zu Informationsverlust

Effektive Frauenförderung kann nur gelingen, wenn physische Präsenz an Bedeutung für die Karriere verliert. Die Harvard-Dozentin Claudia Goldin hat dazu eine interessante Untersuchung veröffentlich: Sie verglich die Gehaltsentwicklung von Akademikerinnen, die im Lauf ihrer Karriere eine 18-monatige Auszeit genommen hatten, mit der von Männern ohne Auszeiten – getrennt nach Berufsgruppen. Das Ergebnis: 15 Jahre nach dem jeweiligen Hochschulabschluss bestand das geringste Gefälle bei ärztlichen Berufen, das größte bei betriebswirtschaftlichen. Goldin führt das auf unterschiedliche Anwesenheits-und Informationskulturen in den jeweiligen Branchen zurück: Im Gesundheitswesen wird vielfach in Schichten gearbeitet. Die Beschäftigten sind es dort gewohnt, sich mittels Übergaben und Datenbanken gegenseitig auf dem Stand zu halten. Eine Teilzeitkraft hat also kaum Informationsnachteile gegenüber einem Vollzeitmitarbeiter. Im betriebswirtschaftlichen und juristischen Umfeld herrscht hingegen eine Kultur des angesammelten Herrschaftswissens. Wer nicht anwesend ist, verliert den Anschluss und seine eingesetzte Zeit wird schlechter bezahlt.

Wissen intern weitergeben

Die logische Schlussfolgerung: Unternehmen und Organisationen müssen angehalten werden, sich von der Politik des Herrschaftswissens zu verabschieden. Knowledge-sharing und Einarbeitungsprogramme könnten beispielsweise verbindlicher Bestandteil von Zielvereinbarungen werden. Es müssten neue IT-Systeme und Prozesse entwickelt werden, um reibungslose interne Übergaben beispielsweise auch im Controlling oder Marketing zu ermöglichen – auch nach einem oder zwei Jahren beruflicher Auszeit. Die Kommunikationstechnologien hierfür stehen vielfach bereits zur Verfügung. Was fehlt, ist der Wille, diese Instrumente sinnvoll zu nutzen und weiterzuentwickeln. Diesen Willen zu fördern, erfordert öffentliche Aufklärungsarbeit.

Zur Autorin: Elke Vorholt ist Geschäftsführende Gesellschafterin der internationalen Personalberatung LAB & Company mit Sitz in Düsseldorf, München und Wien.

In unserer Reihe »Standpunkte« bieten wir von Zeit zu Zeit engagierten Akteuren aus den Bereichen Weiterbildung, Personalentwicklung und Wissensmanagement die Möglichkeit, sich mit einem aktuellen Thema an unsere Leser zu wenden. Unabhängig vom jeweiligen Inhalt weisen wir darauf hin, dass diese Artikel ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wiedergeben und nicht zwangsläufig mit der Auffassung der Redaktion in Einklang zu bringen sind.

 

 

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